Wiesmann Urs

Positionen im Aushandlungsprozess nachhaltiger Entwicklung - Partizipation im Weltnaturerbe Jungfrau-Aletsch-Bietschhorn

Project Number: CH-2860
Project Type: Master
Project Duration: 01/01/2005 - 12/31/2006 project completed
Funding Source: other ,
Leading Institution: Universität Bern, Geographisches Institut
Project Leader: Prof. Urs Wiesmann
Centre for Development and Environment (CDE)
Universität Bern
Mittelstrasse 43
3012 Bern
Phone: +41 (0) 31 631 88 69 ; +41 (0) 31 631 88 22
e-Mail: urs.wiesmann(at)cde.unibe.ch
http://www.cde.unibe.ch

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Research Areas:
Governance

Disciplines:
Legal and Social sciences, Economics
Social geography and Ecology


Abstract:
Im Zuge eines Perspektivenwechsels vom Umweltdenken zum Mitweltdenken wird partizipativen Ansätzen bei der Realisierung von Schutzprojekten und der Implementierung einer nachhaltigen Entwicklung zunehmende Bedeutung beigemessen. Die Beteiligung der betroffenen Bevölkerung ist von zentraler Bedeutung für das Gelingen solcher Projekte und deren Umsetzung, da letztlich die Akzeptanz in der lokalen Bevölkerung für den Erfolg entscheidend ist. Diesen Erkenntnissen wird im Weltnaturerbe Jungfrau-Aletsch-Bietschhorn (JAB) Rechnung getragen. Um die direkte Beteiligung wichtiger Akteurgruppen an der Erstellung des Managementplanes für eine nachhaltige Entwicklung des Gebietes zu realisieren, wurde im Januar 2004 ein breiter partizipativer Prozess lanciert. Der Prozess erstreckte sich über ein halbes Jahr und diente der gemeinsamen Überprüfung von Zielen, die im Zusammenhang mit der Projekteingabe definiert worden waren, sowie der Ausarbeitung und Abstimmung von Massnahmen und Projekten.
Im Zentrum der vorliegenden Arbeit steht die Frage, ob die partizipative Vorgehensweise zu einer stärkeren Verankerung des Projektes bei betroffenen Akteurgruppen beiträgt und erlaubt, die Aushandlung einer nachhaltigen Entwicklung, im Sinne einer Abstimmung und Aushandlung unterschiedlicher Interessen, zu fördern. Die empirische Basis bilden 42 Leitfadeninterviews mit 21 beteiligten Akteuren aus folgenden Bereichen: Landwirtschaft, Tourismus-Verkehr, Gewerbe-Handel-Industrie, Umwelt-Schutz, Wildhut, Verwaltung, Bildung-Jugend-Soziales und Kultur-Kunst. Die Vertreter der Berner und der Walliser Seite wurden bei der Auswahl der Stichprobe gleichermassen berücksichtigt. Die eine Hälfte der Interviews wurde zu Beginn und die andere gegen Ende des Forenprozesses durchgeführt. Untersucht wurden die Veränderungen von Einschätzungen der befragten Personen sowohl in Bezug auf das Gesamtprojekt, als auch hinsichtlich des Forenprozesses im Laufe des Gesamtprozesses.
Die Ergebnisse zeigen eine hohe Akzeptanz bezüglich des Projektes, die vor allem durch die formal-demokratische abgesicherte Entstehungsgeschichte zu erklären ist. Das Projekt wird einerseits als Chance für den Schutz und andererseits als Chance für die wirtschaftliche Entwicklung des Gebietes angesehen. Verschiedene Akteurgruppen zeigen unterschiedliche Schwerpunkte. So legen Akteure aus den Bereichen Umwelt-Schutz und Wildhut mehr Gewicht auf den Schutz des Gebietes, während Akteure aus den Bereichen Landwirtschaft, Tourismus und Gewerbe-Handel den wirtschaftlichen Aspekten mehr Bedeutung beimessen. Dementsprechend sind vielfältige Erwartungen und Bedenken mit dem Projekt verbunden, die in einem Spannungsfeld von Schutz- und Nutzungsinteressen anzusiedeln sind. Obwohl alle befragten Akteure grundsätzlich die Notwendigkeit einer Koexistenz von Schutz und Nutzung betonen, wurde eine unterschiedliche Gewichtung der beiden Aspekte evident. Spannungen zeichneten sich ab, insbesondere zwischen den Akteuren im Bereich Umwelt-Schutz und jenen in den Bereichen Landwirtschaft und Tourismus. Die gegensätzlichen Interessen bezüglich Schutz und Nutzung des Gebietes, stellen den Grundkonflikt dar, der im Forenprozess offensichtlich wurde. Die befragten Personen vertraten jedoch keine Extrempositionen, wodurch eine Basis für die weitere Aushandlung der Interessen vorhanden ist.
Aus den Einschätzungen und Bewertungen der befragten Personen zum Forenprozess geht hervor, dass in den Foren mehrheitlich ein konstruktives Gesprächsklima vorherrschte und eine Artikulation der unterschiedlichen Interessen erfolgen konnte. Es wird jedoch auch deutlich, dass die Möglichkeiten zur ausführlichen Diskussion kontroverser Anliegen und zur Konfliktaustragung als ungenügend angesehen wurden. Latente Konfliktthemen, wie beispielsweise die Wiederansiedlung von Raubtieren, die verbesserungswürdige Kooperation zwischen Landwirtschaft, Gewerbe-Handel und Tourismus, Besucherlenkung und touristische Infrastruktur, wurden zwar ersichtlich, konnten aber nur ansatzweise ausdiskutiert werden. Die Analyse zeigte, dass diese Einschätzung mit dem Verbleiben auf der noch wenig verpflich-tenden Ebene von Absichtserklärungen und mit der eher zielorientierten Ausrichtung des Forenprozesses auf die Erarbeitung von Zielen, Massnahmen und Projekten für das Weltnaturerbe zu erklären ist. Es wird also deutlich, dass bei der Planung partizipativer Prozesse im Hinblick auf die angestrebten Resultate eine Abwägung zwischen Ziel- und Prozessorientierung, d.h. dem Sicherstellen der Effizienz des Prozesses und dem Zulassen offener Diskussionen und Auseinandersetzungen, stattfinden muss. Diese ist für den Erfolg von entscheidender Bedeutung.
Bezüglich der Aushandlung einer nachhaltigen Entwicklung erfolgte mit der Artikulation der verschiedenen Interessen ein erster zentraler Schritt. Der Forenprozess stellte einen Beitrag zum Dialog zwischen verschiedenen Akteurgruppen dar. Ansätze zur Abstimmung und Integration gegensätzlicher Interessen konnten zwar ausgemacht werden, eine vertiefte Konsensfindung über die zukünftige Entwicklung erfolgte allerdings noch nicht. Diesbezüglich kommt der Möglichkeit einer Fortführung des Aushandlungsprozesses im Beisein aller betroffenen Akteurgruppen im Zuge der Umsetzung der Resultate des Forenprozesses grosse Bedeutung zu.
Die Analyse ergab, dass die Einbindung von Akteurgruppen von verschiedenen Faktoren abhängt und nicht in allen Fällen zufrieden stellend gelungen ist. Neben der Betroffenheit durch das Projekt, dem Organisationsgrad und den gemein-samen Interessen innerhalb von Akteurgruppen liess auch die Entwicklung der Bedenken im Laufe des Forenprozesses einen Einfluss auf die Einbindung der Akteurgruppen erkennen. So löste bei den Akteuren im Bereich Umwelt-Schutz die Zunahme der Bedenken, der Schutzgedanke rücke in den Hintergrund, eine Distanzierung vom Prozess aus, während die Abschwächung der Bedenken landwirtschaftlicher Akteure bezüglich Nutzungseinschränkungen eine Steigerung der Motivation zur Folge hatte.
In den positiven Reaktionen auf die Lancierung des Forenprozesses und der mehrheitlich grossen Zufriedenheit mit dem Prozess in der späten Phase wird ersichtlich, dass die Beteiligung geschätzt wird. Für viele der befragten Personen bleibt jedoch ein entscheidender Punkt noch offen: die Frage des weiteren Vorgehens und der Umsetzung der erarbeiteten Resultate. Die potenzielle Bereitschaft zu einem weiteren Engagement für das Weltnaturerbe JAB ist bei den befragten Personen dennoch spürbar, ein Drittel der befragten Personen bekundete im Anschluss an den Forenprozess Interesse an der weiteren Mitarbeit am Projekt. Somit wird die Bedeutung der Wahl eines partizipativen Ansatzes zur Konkretisierung des Projektes bestätigt.

Publications:
Aerni, I. (2005): Positionen im Aushandlungsprozess nachhaltiger Entwicklung - Partizipation im Weltnaturerbe Jungfrau-Aletsch-Bietschhorn. Diplomarbeit, Geographisches Institut, Universität Bern.
PDF Diplomarbeit


Last update: 8/11/22
Source of data: ProClim- Research InfoSystem (1993-2024)
Update the data of project: CH-2860

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